Stolpersteine und Deportationsmahnmal Schlachthoframpe – Rauminstallationen der Erinnerung am 3. September 2020
Am Donnerstag, den 3. September 2020, werden ab 15.30 Uhr an mehreren Orten in der Stadt an Stolpersteinen Erinnerungsblätter verlesen und weiße Rosen niedergelegt. Veranstalter ist das das „Aktive Museum Spiegelgasse für Deutsch-Jüdische Geschichte in Wiesbaden“ (AMS). Die Initiative „Moment Mal“ beteiligt sich an dieser Aktion.
Ab 19:30 Uhr führt das AMS am Deportationsmahnmal eine Gedenkveranstaltung durch. Sie steht unter dem Motto „Letzte Briefe“. In ihrem Zentrum steht eine Lesung mit ausgewählten Testpassagen und Wortmeldungen der von Verfolgung und Entrechtung heimgesuchten Jüdinnen und Juden.
Die „Stolpersteine“
Erdacht hat dieses Erinnerungsprojekt der Künstler Gunter Demnig. „Stolpersteine“ kennzeichnen mit kleinen Messingtafeln, auf denen die Lebensdaten der Betroffenen festgehalten sind, den letzten frei gewählten Wohnort jüdischer Bürgerinnen und Bürger während der NS-Zeit. Was folgte, war ihre zwangsweise Unterbringung in Sammelunterkünften, Deportation und Vernichtung. Nur wenige Jüdinnen und Juden entkamen der damaligen Verfolgung und dem industriellen Massenmord. Stolpersteine machen auf die zahlreichen Orte aufmerksam, an denen jüdisches Leben einst in Wohnquartieren ein Zuhause hatte. Das Verschwinden der jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn, Kundinnen und Kunden, Mitschülerinnen und Mitschüler kann in ihrem Umfeld nicht unbemerkt geblieben sein. Nach 1945 erklärten viele deutsche Nicht-Juden, sie hätten von dem Unrecht, das ihren jüdischen Nächsten zugefügt wurde, nichts gewusst und wahrgenommen. Diese Lebenslüge legen „Solpersteine“ offen. „Stolpersteine“ haben sich als ein besonders taugliches Mittel der Aufklärung erwiesen.
Das „Deportationsmahnmal Schlachthoframpe“
Am 29. August 1942 – einem Sabbat – mussten sich rund 400 von namentlich erfasste jüdische Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger im Synagogengebäude Friedrichstraße einfinden. Wertsachen und höhere Geldbeträge waren abzuliefern. Jede Person hatte sich ein Pappschild umzuhängen, auf dem Name und Kenn-Nummer verzeichnet waren. So gekennzeichnet hatten die für die letzte große Wiesbadener Deportation am 1. September 1942 bestimmten Menschen zu Fuß von der Synagoge zum Schlachthof gehen. Dort wurde sie in den frühen Morgenstunden in Waggons verladen und über Frankfurt am Main nach Theresienstadt verbracht. Genau an der Stelle, an der die Verschickung in die Vernichtung ihren Anfang nahm, befindet sich das „Deportationsmahnmal Schlachthoframpe“. Ein Mauerrest hinter der einstigen Viehverladerampe erinnert mit fotorealistischen Bildwerken an das schreckliche Geschehen. Grundlage dieser künstlerischen Arbeiten ist eine Serie von über 30 Fotos der Deportationsmaßnahme. Eine Stele informiert über die Hintergründe des Geschehens.
Das Gedenken
Messingplatten, Bildwerke, Informations-Stelen sind Gegenstände. Sie halten still – meist nimmt man sie nur am Rande wahr. Erinnerung ist Arbeit. Werden Erinnerungsorte nicht immer neu mit Bedeutung aufgeladen, dann versinken sie in der Banalität des Alltags und entziehen sich als Stadtmöblierung ohne Reibungsflächen der öffentlichen Wahrnehmung. Gedenken muss deshalb immer wieder als besondere Handlung inszeniert werden. Gedenken bedarf der Einkehr und einer besonderen Zeit jenseits täglicher Routine. Gedenken muss in Formen gegossen werden, die ein Spannungsfeld zwischen gestern und heute herstellen, das Gleichgültigkeit und Geschichtsvergessenheit wirksam in Frage stellt.
Unsere Verantwortung
Der Schriftsteller und Philosoph Albert Camus schreibt: „Der Mensch ist nicht ganz und gar schuldig, denn er hat die Geschichte nicht begonnen und auch nicht ganz und gar unschuldig, denn er schreibt sie fort.“ Mit anderen Worten: Niemand ist verpflichtet, sich eine „ererbte“ Schuld zu „eigen“ zu machen. Aber wir alle tragen Verantwortung für das, was kommt. Wir alle machen Tag für Tag Geschichte – mit dem, was wir tun oder unterlassen. MOMENT MAL meint: Jede und jeder sollte geschichtskluges Wissen um in der Vergangenheit zugefügtes Unrecht und Leid nutzen, um der Zufügung von neuem Unrecht und Leid mit all seinen Möglichkeiten rechtzeitig Einhalt zu gebieten.