Über radikale „Mosaik-Rechte“, Negative Öffentlichkeit und die prekäre Zukunft der Demokratie
Veranstaltung mit Prof. Dr. Markus Linden, Politikwissenschaftler
14. Mai 2024, 19:30 Uhr, Schlachthof Wiesbaden
Steht die Demokratie auf der Kippe? Ist die Rechte wirklich so gefährlich? Wie die Strategien der Neuen Rechten auf neue Krawallöffentlichkeiten zielen und welche Akteure daran beteiligt sind.
Wie steht es um die deutsche Demokratie? Wie stark ist der Rechtsextremismus und was sind die Gründe dafür? Vor welchem Hintergrund spielt sich die aktuelle Diskussion über den Rechtsextremismus in Deutschland und Europa ab? Die Demonstrationen Anfang des Jahres zeugen von einer starken Besorgnis in der Bevölkerung. Die ‚Remigrations‘-Pläne der AfD führen u.a. zu Forderungen nach einem stärkeren rechtlichen Vorgehen gegen die Partei – bis hin zum Verbot. Andere warnen, die AfD könnte dann eine Opferrolle einnehmen. Gleichzeitig werden aus rechtspopulistischen Kreisen dem liberalen Staat diktatorische Tendenzen unterstellt. Eine besondere Rolle spielen hierbei neue, häufig rechtspopulistische Medien sowie Akteure, die dort als „Experten“ und radikale Kritiker der sog. „politisch-medialen Elite“ fungieren. Sie nutzen vorgebliche „Alternativmedien“, aber auch etablierte Medien sowie Organe, die als Scharniere zwischen diesen beiden dienen.
Radikale „Mosaik-Rechte“
Dr. Markus Linden spricht in diesem Zusammenhang von einer gezielten Nutzbarmachung vermeintlich oder tatsächlich „gemäßigter“ Akteure, die direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst eingespannt werden, um eine schleichende Hoffähigmachung der völkischen Agenda zu betreiben. Von „kultureller Hegemonie“ spricht die sog. Neue Rechte dabei. Andere Methoden, etwa die intellektuelle und sich selbst verharmlosende Außendarstellung, kommen hinzu. Man könne hier einen Teil-Erfolg einer Strategie beobachten, den die Neue Rechte selbst als „Mosaik-Rechte“ bezeichnet.
Negative Öffentlichkeit
Das Konzept der „Mosaik-Rechten“ ist auch deshalb erfolgreich, weil es passgenau auf eine neue Konstellation politischer Öffentlichkeit ausgerichtet ist. Linden hat für diesen neu entstandenen Teil politischer Öffentlichkeit den Begriff „Negative Öffentlichkeit“ geprägt. Es handelt sich dabei um alternativmediale Organe, Akteure und (Pseudo)-„Experten“, die in der vermeintlichen liberalen Elite und ihren Institutionen ein Feindbild sehen. Teilweise geschieht das jenseits der angestammten Links-Rechts-Unterscheidung. Bei der so entstehenden „Querfront“ handelt es sich um eine radikale Gegenbewegung, die sich selbst pluralistisch gibt, aber im Dienste des antiliberalen Denkens arbeitet. Sogar die Parteinahme für diktatorische und neototalitäre Programme wird dabei als aufklärerische Kritik verpackt.
Die prekäre Zukunft der Demokratie
Diese Konstellation ist brandgefährlich – zumal „Negative Öffentlichkeit“ ein transnationales Phänomen ist, so Markus Linden. Mit einer falsch verstandenen Toleranz werde die liberale Demokratie ihrer verfassungsmäßigen Schutzverantwortung gegenüber der eigenen Bevölkerung und den eigenen Institutionen nicht gerecht.
Dr. Markus Linden lehrt als außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier. Er forscht und publiziert zum Thema „Theorie und Empirie der Demokratie“. Hierbei bilden die digitale Öffentlichkeit, die Neue Rechte in Europa und die Geistesgeschichte radikaler Gegenwartsbewegungen aktuelle Schwerpunkte.