„Gekränkt, rabiat, freidrehend“ – fällt leider aus

„Gekränkt, rabiat, freidrehend“ – fällt leider aus


Gekränkt, rabiat, freidrehend: Ein neuer Typ des autoritären Charakters?
Sozialpsychologische Untersuchungen im Querdenker- und AfD-Milieu
Oliver Nachtwey im Gespräch mit Martín Steinhagen

Die Veranstaltung „Gekränkt-rabiat-freidrehend“ am 17.11.2022  in Wiesbaden fällt aus.

Prof. Oliver Nachtwey musste die Veranstaltung leider kurzfristig absagen. Die Initiative Momentmal bemüht sich, einen neuen Termin in 2023 zu finden.


Sie kämpfen mit allem, was sie haben und sind: Corona-Leugner mit Friedensfahnen, Künstlerinnen, die Naturwissenschaften infrage stellen, Intellektuelle, die sich als Rebellen gegen Sprechverbote inszenieren. Sie alle sehen sich als Kämpfende gegen einen übergriffigen Staat, als Selbstdenkende in einer Herde von Schafen. Sie fühlen sich gegängelt und bedroht, sind empört und gekränkt. Um ihre Freiheit zu verteidigen, kämpfen sie gegen einen „von den Eliten gesteuerten Mainstream“.

Doch für welche Freiheit fechten sie? Wer da gemeinsam auf die Straße geht, will offensichtlich eines: frei sein von gesellschaftlicher Verantwortung. Man kämpft dafür, nicht solidarisch sein zu müssen und dabei keinesfalls auf Widerspruch zu stoßen – nur die eigene Entfaltung zählt.

Esoterisch oder hippiesk wirkende Protestformen vereinen sich dabei mit antisemitischen Codes und Narrativen bei völliger Offenheit gegenüber Akteur:innen aus alter und neuer extremer Rechter. Und obwohl die Buzzwords der Verschwörungsverbreiter oft identisch sind mit den Kampagnen der extremen Rechten, wähnen sich die Protestierenden selbst nicht links, nicht rechts. Von dem normativen Durcheinander der Selbstpositionierungen wird einem geradezu schwindelig.

Wie sind diese Menschen dahin gekommen? Oliver Nachtwey, Professor für Sozialstrukturanalyse, führte gemeinsam mit der Literatursoziologin Christine Amlinger Umfragen und qualitative Interviews mit der beginnenden Querdenken-Bewegung und zivilgesellschaftlich aktiven AfD-Anhänger:innen. Ihre These: Die spätmoderne Gesellschaft habe individuelle Selbstverwirklichung versprochen – dieses Versprechen berge ein Kränkungspotential, das in Frustration und Ressentiment umschlagen könne. Das Ergebnis: ein libertärer Autoritarismus sei in Erscheinung getreten.


Oliver Nachtwey ist Professor für Sozialstrukturanalyse an der Universität Basel. Zusammen mit der Literatursoziologin Carolin Amlinger legte er im Oktober 2022 das Buch „Gekränkte Freiheit – Aspekte des Libertären Autoritarismus“ vor. Für sein Buch „Die Abstiegsgesellschaft“ wurde er 2017 mit dem Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet.


Libertäre Autoritäre weisen keine ausgeprägte autoritäre Unterwürfigkeit auf. Auch wenn sie keine Berührungsängste mit Faschisten haben, sind sie doch keine faschistischen Persönlichkeiten. Es seien Menschen, so Nachtwey, die eher von links kommen, sich aber nach rechts bewegen. Enttäuscht von der Demokratie richten sie ihren Zorn auf den modernen Staat, der ihre individuelle Freiheit z.B. durch das Erzwingen von Solidarität in der Pandemie oder regulierende Interventionen in den Kapitalismus einschränke. Freiheit ist für sie ein persönlicher Besitzstand.

Dabei verteidigen Libertäre Autoritäre ihre Freiheit auf autoritäre Weise: nämlich in der rabiaten Abwertung aller, die ein anderes Verständnis von Freiheit vertreten. Mit diesen könne es keine Aushandlung geben, da sie „finstere Absichten und geheime Pläne“ verfolgen.

Im Gespräch mit Oliver Nachtwey fragen wir, welche gesellschaftlichen Entwicklungen zur Radikalisierung der libertären Autoritären geführt haben und welche Möglichkeiten es für die Zivilgesellschaft gibt, sich dieser neuen Form des Autoritarismus entgegenzustellen.

Carolin Amlinger, Oliver Nachtwey:

Gekränkte Freiheit – Aspekte des libertären Autoritarismus

978-3-518-43071-2
Suhrkamp Verlag


Aus Vorsicht und Rücksichtnahme schützen wir uns und andere: Wir bitten deshalb darum, während der Veranstaltung eine medizinische Maske zu tragen.

Darüber hinaus behalten wir uns vor, von unserem Hausrecht Gebrauch zu machen, und Personen von der Veranstaltung auszuschließen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen oder organisierten verschwörungsideologischen Szene zuzuordnen sind oder in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind. Denn: Menschenfeindliche Positionen als legitim diskutierbare Position erscheinen zu lassen, ist Methode und Ziel der sogenannten Neuen Rechten und auch in verschwörungsideologisch ausgerichteten Gruppierungen verbreitet. Entsprechende Beiträge dienen der Verschiebung der diskursiven Grenzen und stellen die Grundlagen einer offenen und solidarischen Gesellschaft in Frage. Daher sind Vertreter der sogenannten Neuen Rechten und offensiv in diesem Sinne agierende Verbreiter von Verschwörungsideologien für uns keine Diskussionspartner!


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