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Die alte und die neue Lust auf Fundamental-Opposition

Reflektionen anlässlich des Vortrags von Prof. Markus Linden im Rahmen der Veranstaltung „Putin-Propaganda in Deutschland – die Nachdenkseiten als Querfrontmedium?“ von Georg Habs

Prof. Markus Linden hält nichts von Fundamentalopposition. Er hat dafür gute Gründe. Ich unterscheide zwei Arten der Fundamentalopposition – die eine Variante ist mir in guter Erinnerung, die andere ein Graus.

In Fundamentalopposition aufzubrechen, wirkt meist befreiend. Aber ist das, was man da abwirft, stets Ballast oder sind es gewichtige ethische Handlungsgrundsätze? Meiner Erfahrung nach kann es beides sein. So gut sich die Dynamik der Enthemmung für ihre Pilotinnen und Piloten auch anfühlt, unter Umständen erweist sie sich als Brandbeschleuniger der Selbst- und Fremdgefährdung.

Wie komme ich zu dieser Einschätzung? Ich wurde 1953 in Frankfurt am Main geboren. Als ich 14 Jahre alt war, lag meine Zukunft fertig ausgebreitet vor mir: Raus aus der Schule, rein ins Studium, einen Beruf ergreifen, gutes Geld verdienen, heiraten, Kinder zeugen, den angestammten sozialen Status wahren, besser noch: aufsteigen, aufsteigen, aufsteigen.

Diese familiäre Bestimmung versprach mir eine lebenslange, recht öde Zufriedenheit. Der Rest der Welt zählte wenig: Armut, Hunger, Krieg – das waren anderer Leute Probleme, die mich nichts anzugehen hatten.

1968/69 brach diese „feste Burg“ der Fremdbestimmung in sich zusammen. Mir wurde, wie vielen anderen jungen Menschen, damals schlagartig klar: Diese ungerechte Welt kann und muss man verändern – das eigene Leben und das Leben aller anderen sind nicht blindes Schicksal. Eigensinn und Gemeinsinn sind denkbar und damit auch machbar – „unter dem Pflaster liegt der Strand“.

Diese Zukunftsoffenheit entfachte in vielen von uns Antiautoritären einen starken Wissendurst und Bildungshunger. Wir wollten verstehen lernen – beispielsweise durch Tat- und Täterermittlung fassbar machen, was sich im „Muff von 1000 Jahren“ versteckt.

Bis Mitte der 1970er Jahre habe ich meine linke Fundamental-Opposition mit viel Spaß ausgelebt – ich kommentierte gesellschaftliche Entwicklungen von der hohen Warte der „kritischen Theorie“, erfreute mich meiner Einsichten, ergriff Partei, wurde Teil eines rebellischen „Wir“. Ein gutes Gefühl, ein starkes Gefühl. Aber: Wir alle spürten, dieses Gefühl kann verwehen. Wir alle wussten: Es reicht nicht aus, die „herrschenden Verhältnisse“ zu verstehen, um sie zu überwinden.

Die „neuen sozialen Bewegungen“ machten uns fortgesetzt klar, dass zum politischen Handeln nicht nur strategisches Denken, sondern auch handwerkliche Fähigkeiten und Fertigkeiten gehören.

Wir übten uns die Praxis ein, lernten aus eigenen Fehlern, realisierten Projekte, die exemplarisch erlebbar machen, dass sich Leiden tatsächlich mindern, Unterdrückung tatsächlich durchbrechen, lustvoller Altruismus tatsächlich bewerkstelligen lässt. Die so erzielten, alltäglichen Erfolge konnten sich durchaus sehen lassen. Sie waren aber nie das, was man „eigentlich“ erstrebte. Der Abstand zwischen dem Sein der Veränderung und dem weit entferntem Soll der Veränderung war ein stetes Ärgernis.

Tröstlich war und blieb, dass konkret Betroffene die Vorher-/Nachher-Unterschiede durchaus zu schätzen wussten –-mehr Lebensqualität, mehr Selbstbestimmung sind keine Kleinigkeiten.

Seit Einbruch der jüngsten Vielfach-Krisen blähen sich Unsicherheit, Unzufriedenheit und Ungeduld immer weiter auf. Ob sich der Kampf um eine menschenwürdigere Zukunft überhaupt noch gewinnen lässt, erscheint ungewiss.

Nichts und niemand ist damit geholfen, wenn man sich in Resignation oder Schockstarre treiben lässt. Vordringliches gerät aus dem Blick, weil die Gesellschaft des Spektakels mit Ablenkungen lockt.

Ich versuche mich nicht entmutigen zu lassen. Ich versuche Kurs zu halten. Ich tanze nicht auf tausend Hochzeiten. Ich fokussiere mein Engagement dauerhaft auf zwei, drei konkrete Einsatzfelder. Daei tue ich, was ich besonders gut kann, nutze die Hebel und Angriffspunkte, die mir zur Verfügung stehen, stifte Demokraten aller Partei-Lager zu gemeinsamem, zukunftsträchtigem Handeln an. Absolut unverzichtbar ist für mich, die bröckelnden Brandmauern gegenüber allen Anti-Demokraten zu verteidigen und immer wieder auszubessern.

Andere sind anders. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass sich bei vielen einstigen linken Mitstreiterinnen und Mitstreitern in Zeiten der Konfliktzuspitzung eine Unlust am Klein-Klein praktischer Intervention breit macht.

Bei einem Teil von ihnen – beileibe nicht bei allen – unterspült die neue Lust auf Total-Opposition das Fundament sorgfältigen Denkens und Handelns.

Sie machen es sich oft schrecklich einfach mit ihrer Renaissance einer monopolaren Weltsicht: Der Feind meines Feindes ist mein Freund – dieser Freund kann nur Opfer, niemals Täter sein. Der Glaubenssatz „An allem ist nur der Westen schuld“ bedeutet im Umkehrschluss: Russischen Imperialismus gab es nicht und gibt es nicht.

Da mag Waldimir Putin Jahr für Jahr eine völkische Großraum-Ideologie des Russischen predigen, sich offen Interventionsbefugnisse gegenüber souveränen Nachbarstaaten anmaßen und seine völkischen Großmachtvorstellung in einen brutalen Angriffskrieg ummünzen – das alles zählt nicht. Was zählt, sind allein die Missetaten der NATO, EU und Ampel.

Die neuen Fundamental-Oppositionellen genießen den Kraftstoß des sich Bekennens. Sie wollen gedanklich mal wieder im Zentrum des Weltgeschehens stehen. Sie genießen die Chance, alte anti-imperialistische Schlachten mit neuem missionarischem Eifer nochmals zu schlagen. Sie gehen in ihrer Rolle als Verteidiger auf und merken nicht, dass der vorgebliche Angegriffene ein Aggressor der Sonderklasse ist.

Die neuen Fundamental-Oppositionellen wollen nichts mehr von der Vielschichtigkeit, Komplexität und Widersprüchlichkeit politischer Zusammenhänge hören. Was sie suchen, ist ein sicherer Hort politischer Selbstverortung.

Die Erfüllung solcher Wünsche ist denen gewiss, die Umsicht und Faktentreue aufgeben, die ihre kritische Selbstreflexion abbrechen und sich einer bedenkenlosen Selbstradikalisierung hingeben. Ist eine Barriere ernsthafter Nachdenklichkeit erst einmal gefallen, dann gibt es oft kein Halten mehr. Das Realitätsprinzip hat ausgedient, am Ende herrscht allein das Lustprinzip völlig willkürlicher Schuldzuweisung.

Das Entstehen einer derart bedenkenlosen, ex-linken Fundamental-Opposition zerreißt die Gesellschaft als Ganzes nicht prompt von oben bis unten. Weitere Stabilitätsverluste bringt diese Entwicklung aber durchaus mit sich: Spekulatives Misstrauen und autoritäres Denken greifen weiter um sich. Selbstgerechtigkeit, Hass, Hetze finden noch mehr Nahrung.

Die Kristallisationspunkte gesellschaftlicher Aufmerksamkeit driften in dunkle Randgefilde ab. Aus jeder lebenspraktischen Frage der Krisenbewältigung wird ein heilloser und lähmender Kulturkampf.

Die neue Fundamental-Opposition stärkt so mittelbar und unmittelbar die extreme Rechte.

Kräfte der Aufklärung und Emanzipation verlieren an Einfluss. Die Reste der Linken spalten sich kreuz und quer.

Deshalb sage ich: Keine Toleranz gegenüber Ignoranz und Intoleranz, keine Toleranz gegenüber der neuen, bedenkenlosen Fundamental-Opposition!

Diese apodiktische „Kampfansage“ schränke ich aber prompt wieder etwas ein: Langjährigen Freundinnen und Freunden bleibe ich treu und zugewandt, auch wenn sie der neuen, bedenkenlosen Fundamental-Opposition frönen.

Den „Wärmestrom“ persönlicher Loyalität lasse ich trotz schwerwiegender politischer Differenzen nicht abreißen – es gibt ein vor- und nachpolitisches Leben, es gibt ein „Chelat“ des Privaten, ein intim-soziales Miteinander.

Diese elementaren Verbindungen haben nicht nur ein sinnstiftendes Eigengewicht, sondern wirken ganz nebenbei als Dehnungsfugen unser Zivilgesellschaft.

Von der Person Wolf Biermann mag man halten, was man will, sein bereits 1968 verfasstes Gedicht „Ermutigung“ ist und bleibt für mich wegweisend:

„Du, lass dich nicht verhärten
In dieser harten Zeit
Die allzu hart sind, brechen
Die allzu spitz sind, stechen
Und brechen ab sogleich
Und brechen ab sogleich.“

„NachDenkSeiten“-Falschmeldungen

Auf der Bundespressekonferenz vom 13. September 2023 hat der „NachDenkSeiten“-Redakteur Florian Warweg wilde Anschuldigungen gegen die unabhängige soziokulturelle Initiative „Moment Mal!“ und das Projekt „Demokratie Leben!“ erhoben, mit Verleumdungen und schlichten Lügen um Aufmerksamkeit gekämpft.

Wir stellen klar: Es gab keine „Diffamierungskampagne“ eines grünen Bundesministeriums. Niemand wurde von Regierungsstellen gekauft. Niemand hat „Moment Mal!“ in seiner mehr als fünfjährigen Geschichte bei der Themensetzung oder der Referent*innen-Wahl jemals Vorgaben gemacht oder beeinflusst.

Das eigenständige und eigensinnige Moment-Mal-Team nimmt nur ins Programm, was es selbst für richtig, wichtig und streitwürdig hält. So war das schon immer und so war es auch diesmal. Wer uns kennt, weiß das.

Die Verleumdungen des „NDS“-Redakteurs Florian Warweg sind beispielhaft für eine von der Realität völlig losgeloste Eliten- und Medien-Schelte, die Rauchwolken falscher Verdächtigungen verbreitet, damit sich der Verdacht festsetzt, da glimme ein ganz böses Feuer „gelenkter Demokratie“.

Was hat sich wirklich ereignet?

Erstens: Am 14. September 2023 hat „Moment Mal!“ eine eigenständig konzipierte Aufklärungs- und Diskussionsveranstaltung im Schlachthof Wiesbaden veranstaltet. Ihr Titel „Putin-Propaganda in Deutschland – die ‚NachDenkSeiten‘ als Querfrontmedium?“. Die Veranstaltung war übrigens bestens besucht.

Zweitens: Als Werbemittel hat „Moment Mal!“ wie bei allen früheren Veranstaltungen Flyer und Plakate eingesetzt. Die Texte stammen Wort für Wort von uns. Niemand hat uns da hereingeredet oder „Formulierungshilfe“ geleistet.

Drittens: Unser Referent Prof. Dr. Markus Linden hat in seinem Vortrag mit Fakten und wörtlichen Zitaten gearbeitet, seine Quellen offengelegt, Argument an Argument gereiht, seine Einschätzung des Online-Portals „NachDenkSeiten“ Schritt für Schritt plausibel hergeleitet. Prof. Linden hat dem Blog „NDS“ insbesondere eine nicht unwichtige „Scharnierfunktion“ zwischen linken und rechtradikalen Milieus attestiert. Merke: Ein Scharnier zwischen zwei Bauteilen ist das bewegliche Zwischenstück – keines der beiden anderen Bauteile. Das versteht sich von selbst.

„NDS“-Redakteur Florian Warweg will das nicht verstehen. Er behauptet völlig wahrheitswidrig, Prof. Markus Linden habe die „NDS“ selbst, als „rechtsradikal“ eingestuft.

Florian Warweg ist ein Medienprofi. Bevor er bei den NDS angeheuert hat, war beispielsweise sieben Jahre und fünf Monate lang (von September 2014 bis Januar 2022) Chef vom Dienst (CvD) bei Russia Today (RT) Deutschland. Wenn Warweg ein Scharnier mit anderen Bauteilen, wenn er Äpfel und Birnen verwechselt, dann tut er das nicht, weil er etwa Obst-Brei im Hirn hätte. Er weiß ganz genau, was er da treibt.

Warweg versucht „Moment Mal“ und Prof. Markus Linden zu diskreditieren, eine Empörung zu entfachen, die blind macht für differenzierte und wohlüberlegte Kritik. Er liefert der Fan-Base der „NDS“ ein verzerrtes Realitätsbild, um sie bei der Stange zu halten und gegen Einwände zu immunisieren.

Er betreibt einmal mehr eine Opfer-Täter-Umkehr, in der Hoffnung, dass der frei erfundene NDS-Opfergang weitere Sympathisantinnen und Sympathisanten mobilisiert – „Schließt euch fest zusammen!!“

Was Prof. Markus Linden tatsächlich sagt, davon kann man sich auf unserer Internetseite anhand von Video-Aufzeichnungen selbst überzeugen. Da gibt es nichts deuteln und zwischen den Zeilen zu lesen: Prof. Markus Linden spricht durchgängig Klartext!

Viertens: „Moment Mal!“ verfügt über keine Eigenmittel. Aufklärungs-Veranstaltungen kosten Geld, Finanzmittel fallen nicht vom Himmel. Deshalb beantragt „Moment Mal!“ – wie alle anderen unabhängigen soziokulturellen Initiativen – für seine Veranstaltungen Fördermittel bei staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen, die Kultur offen unterstützen.

Für den Umgang zwischen Antragstellerinnen und Drittmittelgeberinnen gelten klare Verhaltensregeln der Rollentrennung. „Demokratie Leben“ ist eine der Stellen, an die man sich in Wiesbaden mit Aussicht auf einen knappen, aber hinreichenden Finanzierungserfolg wenden kann. Das hat „Moment Mal!“ schon früher und auch jetzt wieder mit Erfolg wieder getan.

Nichts daran ist anrüchig oder skandalös. „Demokratie Leben“ ist keine staatliche Aufsichtsbehörde, keine Zensuranstalt, kein Strippenzieher einer Regierung. Wer Fördermittel beantragt und erhält, wird dadurch nicht zum „Agenten einer fremden Macht“. Vulgär-materialistische Pauschalverdächtigungen in die Welt zu setzen, ist dagegen schlecht für die offene Gesellschaft.

Wäre es unabhängigen soziokulturellen und politischen Initiative verwehrt, Finanzmittel einzuwerben, dann stünden die allermeisten von ihnen mittellos da und müssten ihre Arbeit einstellen – ohne starke Kulturförderung keine Handlungssicherheit und Handlungsfreiheit der unabhängiger soziokultureller Initiativen, keine kulturelle Vielfalt.

Florian Warweg schwadroniert im Zusammenhang mit unserer Veranstaltung über missbräuchlich eingesetzte „Steuergelder“. Er suggeriert böse Verschwendung.

Und er weiß haargenau, welchen Unsinn er da verzapft.

Er hat sich 2008 sechs Monate lang als Consultant mit der Evaluierung der Instrumente des „Deutschen Entwicklungsdienstes“ (DED) zur Stärkung der peruanischen Zivilgesellschaft in den Bereichen in den Bereichen Ziviler Friedensdienst und Demokratieförderung befasst. Er weiß um solche Wirkmechanismen. Er weiß, was zum Gelingen der Demokratieförderung beiträgt.

Er weiß, dass auch bei der Moment-Mal!-Veranstaltung in Wiesbaden alles diesen geregelten Gang entsprach. Statt dieses Wissens verbreitet er falsche Verdächtigungen.

Er versucht Menschen glauben zu machen, Kulturinitiativen, die nicht auf seiner Linie liegen, seien allesamt nur die Marionetten einer Elite bösartiger Strippen-Zieher.

Wer solch Verschwörungsgedanken verbreitet, ist kein Freund der Meinungsfreiheit, steht nicht auf der Seite von Aufklärung, Wahrheit und Emanzipation.

Florian Warweg betreibt repressive Angstmache.

Die AfD spielt das Lied vom Tod

Bei aller Genugtuung darüber, dass die AfD ihren Bundesparteitag am 11. und 12. Dezember 2021 in Wiesbaden abgesagt hat: Uns reicht es nicht aus, dass dies nur wegen Corona  geschah.

Wir meinen: Es gibt gute Gründe, der AfD dauerhaft und grundsätzlich den den Stuhl vor die Tür zu setzen.

Die AfD macht Corona zur Waffe ihres Systemkampfes

Die AfD stachelt Impfängste mit Lügen an. Die AfD setzt sich als Vorbild der Maskenverwei-gerung in Szene. Die AfD stellt sich Problemlösungen vorsätzlich in den Weg. Die AfD wettert über Freiheitsbeschränkungen, die sie durch ihr schändliches Treiben selbst befördert. Die AfD versucht mit allen Mitteln Demokratieverdrossenheit herbeizuführen, und sei der Preis auch noch so hoch – vermeidbare Todesfälle und Erkrankungen, vermeidbare Pleiten und zerstörte Existenzen.  Die AfD-Propaganda ist ein Attentat auf Leben und Gesundheit.


Die AfD hetzt, bis andere morden

„Manche beherrschen die entsetzliche Kunst,
Menschen das Fürchten zu lehren.”

Ernst Bloch

Die AfD verteilt keine Mordaufträge, bestellt keine Nagelbomben. Stattdessen verbreitet sie Hass und Hetze, verbreitet Untergangsszenarien und Notwehrparolen, Feindbilder und Hinweise auf “Volksverräter”. Diese ständige Angst- und Wutmache sorgt für eine explosive Stimmung, die sich in Mordtaten entlädt – einmal, zweimal, immer wieder.


Die AfD will den totalen Bruch

„Faschisten hören niemals auf, Faschisten zu sein.
Man diskutiert mit ihnen nicht.”

Danger Dan, 2021

Ende 2020 schreibt ein oberbayerischer AfD-Kreisvorsitzender in einem Partei-Chat: „Wahlen helfen ohnehin nicht mehr.“[…]“Ohne Umsturz und Revolution erreichen wir hier keinen Kurswechsel mehr.“Georg Hock, Mitglied des Landesvorstandes der AfD in Bayern, antwortet: „Absolute Zustimmung“. Die bayerische AfD-Landtagsabgeordnete Anne Cyron pflichtet bei: „Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden.“

All das ist nicht neu, nicht überraschend: Der AfD-Vordenker, Götz Kubitschek hat schon früher klargestellt, welche Machtstrategie zur AfD passt: Ziel sei nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende, „nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party.“

Schenkt der AfD keinen einzigen Tanzboden!

Stellt ihr die Stühle vor die Tür!

Leben wir unsere Stärken

Menschenwürde kann man hegen und pflegen. Es ist befriedigend, das Hirn mit Fakten und das Herz mit Menschlichkeit stark zu machen. Es ist befriedigend, sich im Meinungsstreit näher zu kommen und Vorbehalte abzubauen. Es ist befriedigend, wenn Missgunst und Misstrauen sich in Zutrauen, Selbstbewusstsein und Offenheit auflösen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, sich diese Befriedigungen zu versagen.

Wir leben Demokratie.
Wir wollen die offene Gesellschaft stark machen.


>> Memorandum als PDF zum Download

Wer sagt, was alle denken?

Die AfD treibt die Angst um, dass der Verfassungsschutz die gesamte Partei zum rechtsextremistischen Verdachtsfall hochstuft. Eine solche Hochstufung würde die Wahlchancen der AfD weiter verringern. Deshalb beteuert die Partei ihre Verfassungstreue.

Am 27. November 2020 hat der AfD-Bundesvorstand einstimmig einen Grundsatzbeschluss gefasst, in dem es heißt: „Die AfD tritt aktiv für die Wahrung der Demokratie, des Rechtsstaats und für die Achtung und den Schutz der Menschenwürde ein.“

In Wiesbaden wirbt die AfD auf ihren Plakaten zur Kommunalwahl 2021 mit dem Slogan: „Wir sagen, was alle denken“

Das passt vorne und hinten nicht zusammen.

Die Aussage der AfD-Plakate ist offenkundig falsch. Keine Partei sagt, was alle denken.

Doch der Werbeslogan der AfD ist nicht nur ein dummer Spruch.

Die AfD unterscheidet eines von anderen Parteien. Die Bertelsmann-Stiftung hat die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter 10 000 Teilnehmer:innen vom Juni 2020 veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass der Anteil der Wähler:innen mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild in der AfD fast viermal so hoch wie im Durchschnitt aller Wahlberechtigten. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Befürwortung einer rechtsgerichteten Diktatur (15 aller AfD-Wähler:innen gegenüber 5 Prozent aller Wahlberechtigten), der Verharmlosung des Nationalsozialismus (13 gegenüber 3 Prozent), beim Antisemitismus (13 gegenüber 5 Prozent), bei der Fremdenfeindlichkeit (65 gegenüber 21 Prozent).

Was viele AfD-Wähler:innen denken, unterscheidet sich demnach erheblich von dem, was alle anderen denken.

Die AfD Wiesbaden weiß das. Sie misst mit zweierlei Maß. Für sie zählen manche Menschen doppelt und dreifach und andere Menschen überhaupt nicht – all jene, die andere Meinung sind. Die AfD Wiesbaden macht einen zutiefst undemokratischen Alleinvertretungsanspruch geltend: Sie allein „ist das Volk“ – alle Andersdenkenden gehören nicht dazu, haben nichts zu melden, sollen die Klappe halten.

Leider spricht der Werbe-Slogan der Wiesbadner AfD vielen Menschen aus dem Herzen, die sich in rechtsextremen Filterblasen tummeln und die Wirklichkeit ausblenden. Dort sind solche Menschen unter sich, dort sind nicht nur in der Mehrheit, sondern „alle“.  Dort werden sie mit Hass und Hetze scharf gemacht, dort können sie sich mit ihren Gewaltphantasien wechselseitig überbieten und ihre menschfeindlichen Überzeugungen hegen und pflegen.  Dort wird der Boden für ein Denken bereitet, das sich in Taten Bahn bricht – als menschenverachtenden Terrorismus sogenannter „Einzeltäter“.

Der AfD-Slogan „Wir sagen, was alle denken“ belegt: Die AfD ist keine kreuzbrave konservative Partei, die AfD ist brandgefährlich.

Es nervt. Ein Beitrag von Momentmal! Aus Gründen.

Wiesbaden, Dezember 2020.

Corona nervt – auch das Team von Momentmal! Leute, die sich nicht an Schutzregeln halten und damit andere gefährden, nerven. Leute, die sich allzu sklavisch an Regeln halten, nerven. Es nervt, dass alle so genervt sind – Du, ich und andere.

Immer mehr Menschen verfallen angesichts der zweiten Corona-Welle abwechselnd in Hohn und Spott über widersprüchliche „Wellenbrecher“-Verordnungen und lückenhafte Hilfsangebote.

Der Eifer, mit dem nach Haaren in der Suppe der Corona-Schutzmaßnahmen gesucht wird, speist sich aber nicht allein aus der aktuellen Ausnahmesituation, sondern scheint uns Ausdruck einer seit langem aufgestauten Politikverdrossenheit zu sein. Dabei erkennen wir verschiedene Muster wieder – bei anderen und auch bei uns selbst.



Stichwort Maskenpflicht: In Wiesbaden gilt für zwei Fußgängerzonen Masken-Pflicht, für eine dritte nicht. Die unterschiedliche Strenge des Eingriffs entspricht der unterschiedlichen Frequentierung der drei Fußgängerzonen. Diese nahe liegende Erklärung wird nicht wahrgenommen. Lieber ergeht man sich mit Genuss im Verdruss über die „da oben“,  die mal wieder nicht wissen, was sie tun.

Selbst wenn man das zweierlei Maß bei der Maskenpflicht weiterhin merkwürdig findet, ist die Aufregung, mit welcher die Kritik geäußert wird, maßlos. Man könnte die kleinen Unstimmigkeiten mit einem „Na und?“ quittieren, anderswo einkaufen gehen oder die geringfüge Masken-Belästigung in Kauf nehmen. Doch solche Gelassenheit ist selten, es überwiegt ein aufgeregtes „Aber Hallo!“.


Stichwort Beschulung: Maskenpflicht und andere häufig wechselnde Vorgaben lassen manche Pädagogen am Erziehungserfolg ihres Unterrichts zweifeln. Das führt sie zu der Mutmaßung,  das Offenhalten der Schulen diene nicht der Durchsetzung des „Rechts auf Bildung“, sondern ziele darauf ab, Eltern von Ganztags-Betreuungsnotwendigkeiten ihrer Kinder frei zu halten und ihnen damit die  Fortsetzung ihrer regulären Arbeitstätigkeit zu ermöglichen.

Die Bereitschaft, diesen Zielkonflikt zwischen Einlösung einer Erziehung nach allen Regeln pädagogischer Kunst und Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens auszuhalten und das Beste daraus zu machen, ist gering. Umso größer ist die Empörung über das „irrlichternden“ Tun der „Obrigkeit“. Was man von ihr erwartet, sind Entscheidungen, die es allen Recht machen und das auch noch auf Dauer und ohne Kurswechsel – mehr, als selbst die Klügsten der Klugen derzeit bewerkstelligen können.


Stichwort berufliche Existenz: Die Risiken der Corona-Pandemie sind abstrakt. Höchst konkret hingegen ist das Wissen darum, wie lange der eigene Betrieb oder das Unternehmen, für das man tätig ist, die Lockdown-Verfügungen überleben wird. Es werden rasche Lockerungen verlangt, obwohl man durchaus darum weiß, dass diese kaum mit einer Eindämmung des Infektionsgeschehens zu vereinbaren sind. Die Ungeduld, mit der unbürokratische Hilfen eingeklagt werden, ist durchaus verständlich und berechtigt. Doch fast jede der besonders betroffenen Berufsgruppen erhebt dabei nur Forderungen im nachvollziehbaren Eigeninteresse, fast keine bemüht sich um einen Schulterschluss mit anderen.

Ein Mehr an Solidarität mahnt deshalb eine Stellungnahme von „theaterperipherie“ und „Landungsbrücken Frankfurt“ zur Schließung der Theater an: „Dass es  sich einfach scheiße anfühlt, am Telefon vom Jobcenter gefragt zu werden, ob man denn wieder einen Job gefunden hat, und dass es sich auch scheiße anfühlt, vor Ort im Jobcenter von einem Security-Mitarbeiter aufgefordert zu werden, die Maske kurz abzulegen, um zu beweisen, dass man auch wirklich man selbst ist, der die Leistung bezieht. Das können wir in unserer Filterblase gerne besprechen und uns versuchen, gegenseitig Kraft zu geben. Aber sobald es um konkrete Forderungen geht, muss klar sein: Das geht uns gerade genauso wie allen anderen Menschen, die auf Leistungsbezug angewiesen sind. HARTZ IV ist scheiße und keine adäquate Grundsicherung! Und das erleben wir Künstler*Innen jetzt halt auch mal hautnah. Und wer das nicht wusste, der hat sich in den letzten 20 Jahren auch im Theater nicht wirklich für Gesellschaft interessiert.“


Stichwort Bürokratie: Sozialämter und Arbeitsagenturen dünnen zum Schutz ihrer Mitarbeiter parallel zum Anschwellen des Infektionsgeschehens ihre analogen Sprechzeiten aus. Wer dringend einen Behörden-Stempel braucht, um Ungemach von sich fern zu halten, hat da oft das Nachsehen. Doch nicht diese von praktischer Hilfe Abhängigen beschweren sich am laustärksten über die Selbstverbunkerung und Verweigerung notwendiger Leistungen von Verwaltungen, sondern wohlsituierte Menschen, die eine staatliche und kommunale Rundum-Versorgung ohne Abstriche auch in Krisen-Zeiten erwarten.

Ihnen geht es nur am Rande um für sie eigentlich verschmerzbare Leistungseinbußen. Sie nehmen diese vorrangig zum Anlass, um die altbekannte Klagen über die Tücken der Bürokratie anzustimmen. Man mokiert sich einmal mehr über vorgebliche Tendenz von Verwaltungen, ihre Arbeit in genau dem Maß auszuweiten, wie man ihnen Zeit und Personal für ihre Erledigung zur Verfügung stellt.


Der Sozialdarwinismus ging mit der Behauptung hausieren, nur der Stärkste habe eine Chance und ein Recht auf Überleben. Marktradikale Ideologen proklamieren nicht weniger apodiktisch „Konkurrenz belebt das Geschäft“ und „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Dies gipfelt in dem Anspruch, in der steten Auseinandersetzung mit Mitbewerbern könne sich nur bewähren und obsiegen, wer ohne Unterlass der Verpflichtung zur „Selbstoptimierung“ nachkommt.

Dass Menschen soziale Wesen sind, Kooperation und kluger Interessenausgleich Wege des erfolgreichen Miteinanders ebnen können, wird ebenso vorsätzlich ignoriert wie der Wert jeglicher Gemeinwesen-Orientierung des Einzelnen und der diversen Interessengruppen.


Was sich die Einzelnen, die sich der Selbstoptimierung unterwerfen, abverlangen, übertragen sie als Erwartung auf politische Institutionen. Sie sollen als perfekter Liefer-Service funktionieren, der den eigenen Erwartungen ständig vollauf zu genügen hat – was aus anderen wird, gilt als unmaßgeblich.

Da die Politik es nicht allen vollständig Recht machen kann, wird sie ständig als defizitär gebrandmarkt. Nicht nur die tatsächliche oder vermeintliche Bevorzugung anderer Interessengruppen wird dabei aufs Korn genommen, selbst Versuche von Ausgewogenheit gelten als höchst suspekt – gefährden sie doch potenziell den Erhalt des eigenen Wohlstands.


Auch im Diskurs über die Zumutungen der Corona-Pandemie bricht sich dieser entgrenzte Egoismus Bahn – Überempfindlichkeit paart sich mit hartem Austeilen: Jeder ist sich selbst der Nächste und Einzige.

Dass man bei allem, was man sagt, die Verhältnismäßigkeit seiner Mittel beachten sollte, wird als unzumutbarer Freiheitsentzug denunziert und nicht mehr als ein Akt der Mäßigung verstanden, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unverzichtbar ist. Zuspitzung der Kritik um der Zuspitzung willen, sich keine Deut um die Belegbarkeit kolportierter Vorwürfe zu kümmern, haben Konjunktur. Die Wahrung von Anstand und Wahrhaftigkeit gelten als vorsintflutliche Zumutungen, Verleumdung und üble Nachrede als zulässig – solange sie nur die „anderen“ treffen.


Das Gefühl der Ohnmacht, das Gefühl, allein gelassen zu sein, mästet sich am Hohn und Spott über die vermeintlichen Übeltäter aus dem Reich der Politik. Die Lust, es denen mal richtig heimzuzahlen, wächst.


Wie befreiend wäre es doch, die Regeln der Vernunft zu brechen, sich nach Lust und Laune auszutoben, mit anderen den Tanz auf dem Vulkan zu wagen. Was davon abhält, seinen narzisstisch geprägten Unmut auf Straßen und Plätzen zu tragen, ist der Ekel vor denen, die sich da bereits tummeln.


Epidemiologen versichern glaubhaft: Leisten alle Menschen nur drei bis vier Wochen einen radikalen Verzicht auf Sozialkontakte, brechen die Infektionsketten in sich zusammen. Dann würden anschließend die meisten Freiheitsbeschränkungen wieder überflüssig – der Triebaufschub von heute stößt das Tor zum Hedonismus von morgen auf.

Das erinnert an den legendären amerikanischen Marshmallow-Test aus dem Jahre 1968: Vierjährigen Kindern schenkte man ein Marshmallow und stellte sie vor die Wahl, es entweder sofort zu essen oder noch ein zweites zu bekommen, wenn sie einige Minuten zuwarteten. Aug in Aug mit der süßen Versuchung verzichtete ein Teil der jungen Probanden auf die spätere Belohnung und biss einfach zu. Der Haken bei der heute angemahnten Impulskontrolle ist: Wenn viele ausscheren und tun, was sie nicht lassen mögen, dann haben alle den Schaden, dann entfällt die versprochene Belohnung. Ohne garantierten eigenen Vorteil sich für andere aufopfern – wozu?



Je mehr Menschen nur noch um das eigene Selbst kreisen, umso größer die Gefahr einer weiteren Spaltung der Gesellschaft. Umso dringlicher ist es, der bei vielen durchaus noch vorhandenen Alltagsvernunft kräftigende Nahrung zu geben.

Viele Experten überzeugt die Fortschreibung des „Lockdown Light“ nicht. Sie vermissen Maßnahmen mit rascher Tiefenwirkung und eine nachvollziehbare Langzeitstrategie. Irland arbeitet mit einem klar strukturierten Fahrplan, der von Level eins bis fünf aufzeigt, welche Maßnahmen je nach Entwicklung des Infektionsgeschehens ergriffen oder wieder aufgehoben werden. Die Menschen wissen dort, womit sie rechnen können und müssen, während sie sich bei uns stets aufs Neue mit ad hoc getroffenen Entscheidungen und Kompromissen der Politik konfrontiert sehen.


Mit allgemein gehaltenen Erklärungen an die Einsichtsfähigkeit der Menschen zu appellieren, reicht nicht. Die politisch Verantwortlichen müssen Sinn und Zweck der Vorgaben konkretisieren. Sie könnten beispielsweise anhand von Modellrechnungen verdeutlichen,  welch gewaltigen Unterschied es für die Eindämmung des Virus macht, ob private Treffen auf maximal fünf Personen begrenzt werden oder ob man nur noch eine Person empfängt, die nicht zum Haushalt gehört.

Wem der Blick in die Glaskugel solcher Computersimulationen nicht ausreicht, dem sollte man vor Augen führen, wie es in manch anderen europäischen Ländern gelungen ist, den Klammergriff der Pandemie innerhalb weniger Wochen zu lockern. Ein Teil der Wozu-Fragen von Skeptikern wäre damit beantwortet.


Sachliche Kritik an strittigen Eindämmungsversuchen des Infektionsgeschehens zu üben, ist wichtig, damit Spott, Zweifel und Misstrauen zurückgedrängt werden und nicht noch mehr Wasser auf die Mühlen des demokratiefeindlichen Querdenkens geleitet werden.


In den 70er und 80er Jahren haben viele von uns „Altlinken“ mit Begeisterung  die Kriminalromane  des schwedischen Autorenpaars Sjöwall-Wahlöö gelesen. Der Krimi „Der Polizistenmörder“ beispielsweise wartete mit einer gesellschaftlichen Lageeinschätzung auf, die von seiner Leserschaft allenfalls als etwas „vulgärmaterialistisch“ belächelt, aber als „gesellschaftskritische“ Unterhaltungsliteratur akzeptabel gefunden wurde.

Heute gehen Freundinnen und Freunden der offenen Gesellschaft die Augen über angesichts der in einzelnen Textpassagen verbreiteten Politik -Verdrossenheit und „Deep State“-Gedanken:

„[…] obwohl er einsah, daß das ganze System von einem Dutzend reicher Familien und ungefähr der gleichen Anzahl korrumpierter und untauglicher Politiker gesteuert wurde, die sich auch noch etwas darauf einbildeten, Mal für Mal die gleichen alten Lügen zu wiederholen […] “
Der Polizistenmörder, Maj Sjöwall  / Per Wahlöö, Rowohlt Taschenbuch Verlag

Wem in solch entlastenden Brachial-Phantasien die Rolle des allgewaltigen Übeltäters im Hintergrund zuzuweisen ist, ist austauschbar – Freimaurer, Illuminaten, russische Mafia, Putin, Xi Jinping, Bill Gates, BlackRock, das Kartell der Superreichen. Mit unschöner Regelmäßigkeit heißt die bösartige Antwort wie seit zwei Jahrtausenden: die Juden.


Dieses alte Querdenken wird hier und heute von Rechtsradikalen benutzt, um ihre Mär von kleinen Eliten, die für alle Übel dieser Welt verantwortlich sind, weiter zu verbreiten und für ihre brutal-autoritären Vorstellungen einer nationalen Erhebung zu werben.

Es gilt, solch grobe und brandgefährliche Vereinfachungen zu überwinden und sich von der Phantasie zu lösen, komplexe Probleme ließen sich im Handstreich erledigen. Die Konsequenzen solcher Selbst-Aufklärung müssen nicht langweilig sein. Fakten von Fake News zu unterscheiden, ist spannende Detektivarbeit. Um Formen der Ansprache zu entwickeln, die Grenzen des Lagerdenkens überwinden, muss man sein kreatives Potential voll ausreizen, immer wieder Neues wagen… Wer sich auf dieses Abenteuer unverdrossen einlässt, wird merken:  „Demokratie ist lustig“

Gedenken in Wiesbaden

Moment mal! beteiligte sich am Gedenken anlässlich des Jahrestages der letzten großen Deportation Wiesbadener BürgerInnen jüdischen Glaubens am 1. September 1942. Die zentralen und dezentralen Veranstaltungen dazu wurden vom Aktiven Museum Spielgasse organisiert.

Das Medienteam von Moment mal! hat im Auftrag der Martin-Niemöller-Stiftung ein kleines Video dazu erstellt: „Rund 700 Stolpersteine und die Rampe am Schlachthof Wiesbaden: Orte des Gedenkens anlässlich des Jahrestags der letzten großen Deportation Wiesbadener BürgerInnen jüdischen Glaubens am 1. September 1942“

Wir danken dem Aktiven Museum Spiegelgasse für die Aufnahmemöglichkeiten im Rahmen der Gedenkveranstaltung am 3. September 2020 im Schlachthof Wiesbaden und der Martin-Niemöller-Stiftung für die Möglichkeit, das Video auf unserer Plattform einzubinden.

Erinnern und Gedenken in Wiesbaden

Stolpersteine und Deportationsmahnmal Schlachthoframpe – Rauminstallationen der Erinnerung am 3. September 2020

Am Donnerstag, den 3. September 2020, werden ab 15.30 Uhr an mehreren Orten in der Stadt an Stolpersteinen Erinnerungsblätter verlesen und weiße Rosen niedergelegt. Veranstalter ist das das „Aktive Museum Spiegelgasse für Deutsch-Jüdische Geschichte in Wiesbaden“ (AMS). Die Initiative „Moment Mal“ beteiligt sich an dieser Aktion.

Ab 19:30 Uhr führt das AMS am Deportationsmahnmal eine Gedenkveranstaltung durch. Sie steht unter dem Motto „Letzte Briefe“. In ihrem Zentrum steht eine Lesung mit ausgewählten Testpassagen und Wortmeldungen der von Verfolgung und Entrechtung heimgesuchten Jüdinnen und Juden.


Die „Stolpersteine“
Erdacht hat dieses Erinnerungsprojekt der Künstler Gunter Demnig. „Stolpersteine“ kennzeichnen mit kleinen Messingtafeln, auf denen die Lebensdaten der Betroffenen festgehalten sind, den letzten frei gewählten Wohnort jüdischer Bürgerinnen und Bürger während der NS-Zeit. Was folgte, war ihre zwangsweise Unterbringung in Sammelunterkünften, Deportation und Vernichtung. Nur wenige Jüdinnen und Juden entkamen der damaligen Verfolgung und dem industriellen Massenmord. Stolpersteine machen auf die zahlreichen Orte aufmerksam, an denen jüdisches Leben einst in Wohnquartieren ein Zuhause hatte. Das Verschwinden der jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn, Kundinnen und Kunden, Mitschülerinnen und Mitschüler kann in ihrem Umfeld nicht unbemerkt geblieben sein. Nach 1945 erklärten viele deutsche Nicht-Juden, sie hätten von dem Unrecht, das ihren jüdischen Nächsten zugefügt wurde, nichts gewusst und wahrgenommen. Diese Lebenslüge legen „Solpersteine“ offen. „Stolpersteine“ haben sich als ein besonders taugliches Mittel der Aufklärung erwiesen.

Das „Deportationsmahnmal Schlachthoframpe“
Am 29. August 1942 – einem Sabbat – mussten sich rund 400 von namentlich erfasste jüdische Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger im Synagogengebäude Friedrichstraße einfinden. Wertsachen und höhere Geldbeträge waren abzuliefern. Jede Person hatte sich ein Pappschild umzuhängen, auf dem Name und Kenn-Nummer verzeichnet waren. So gekennzeichnet hatten die für die letzte große Wiesbadener Deportation am 1. September 1942 bestimmten Menschen zu Fuß von der Synagoge zum Schlachthof gehen. Dort wurde sie in den frühen Morgenstunden in Waggons verladen und über Frankfurt am Main nach Theresienstadt verbracht. Genau an der Stelle, an der die Verschickung in die Vernichtung ihren Anfang nahm, befindet sich das „Deportationsmahnmal Schlachthoframpe“. Ein Mauerrest hinter der einstigen Viehverladerampe erinnert mit fotorealistischen Bildwerken an das schreckliche Geschehen. Grundlage dieser künstlerischen Arbeiten ist eine Serie von über 30 Fotos der Deportationsmaßnahme. Eine Stele informiert über die Hintergründe des Geschehens.

Das Gedenken
Messingplatten, Bildwerke, Informations-Stelen sind Gegenstände. Sie halten still – meist nimmt man sie nur am Rande wahr. Erinnerung ist Arbeit. Werden Erinnerungsorte nicht immer neu mit Bedeutung aufgeladen, dann versinken sie in der Banalität des Alltags und entziehen sich als Stadtmöblierung ohne Reibungsflächen der öffentlichen Wahrnehmung. Gedenken muss deshalb immer wieder als besondere Handlung inszeniert werden. Gedenken bedarf der Einkehr und einer besonderen Zeit jenseits täglicher Routine. Gedenken muss in Formen gegossen werden, die ein Spannungsfeld zwischen gestern und heute herstellen, das Gleichgültigkeit und Geschichtsvergessenheit wirksam in Frage stellt.

Unsere Verantwortung
Der Schriftsteller und Philosoph Albert Camus schreibt: „Der Mensch ist nicht ganz und gar schuldig, denn er hat die Geschichte nicht begonnen und auch nicht ganz und gar unschuldig, denn er schreibt sie fort.“ Mit anderen Worten: Niemand ist verpflichtet, sich eine „ererbte“ Schuld zu „eigen“ zu machen. Aber wir alle tragen Verantwortung für das, was kommt. Wir alle machen Tag für Tag Geschichte – mit dem, was wir tun oder unterlassen. MOMENT MAL meint: Jede und jeder sollte geschichtskluges Wissen um in der Vergangenheit zugefügtes Unrecht und Leid nutzen, um der Zufügung von neuem Unrecht und Leid mit all seinen Möglichkeiten rechtzeitig Einhalt zu gebieten.

Neue Wege für politische Arbeit

Wiesbadener Kurier vom 20.05.2020:
Der Wiesbadener Verein „Moment mal“ muss sich neu aufstellen. Vorträge und Versammlungen sind nicht möglich. Für die Demokratie will man sich aber weiterhin einsetzen.
Von Anja Baumgart-Pietsch

„Moment mal“ heißt die Aktion, die sich 2018 in Wiesbaden unter
dem Eindruck erstarkender rechter Kräfte gegründet hat – ein Freundeskreis aus den unterschiedlichsten Spektren der Stadtgesellschaft. Speziell die AfD als parlamentarischer Arm der völkisch-nationalistischen Bewegung und die mit ihr verwobenen fremdenfeindlichen oder verschwörungstheoretischen Gruppen soll ganz klar als Bedrohung der Demokratie benannt werden. „Menschenfeindliche Parteien und Gruppierungen können sich in einer Demokratie zur Wahl stellen – aber sie müssen damit leben, dass sie nicht an jeden Tisch gebeten werden, sondern auf heftigen Gegenwind treten“, heißt es bei „Moment mal.“

In den vergangenen beiden Jahren wurden zwölf gut besuchte Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen organisiert, ganz gezielt an unterschiedlichen, exponierten Orten wie Staatstheater, Schlachthof, Haus an der Marktkirche, Museum, Theater im Pariser Hof. Denn, so Mitorganisatorin Claudia Sievers, durch diese Vielzahl der Orte habe man auch ein sehr unterschiedliches Publikum erreicht und spannende und kontroverse Diskussionen erlebt. Jetzt jedoch ist das reale Programm durch Corona zum Erliegen gekommen. Bereits vor dem allgemeinen Veranstaltungsverbot hatte sich „Moment mal“ entschlossen, den im März geplanten Abend mit dem CDU-Politiker Ruprecht Polenz abzusagen. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde und Vertreter der Bundesregierung im Dialog um den Völkermord an den Herero und Nama mit Namibia hätte in der Ringkirche über die Verantwortung der Konservativen für die Demokratie sprechen sollen.

„Wir erkannten bald, dass es nicht ausreicht, die Planungen einfach einige Wochen zu verschieben“, sagt Mitorganisator Georg Habs. „,Moment mal‘ hat sich schnell aus der Schockstarre gelöst und in wöchentlichen Videokonferenzen weitergearbeitet. Wir haben schnell gemerkt, dass wir nicht nur neue Formate finden müssen, sondern dass wir jetzt auch auf die sich verändernde Situation reagieren müssen. Einige Themen drängen sich neu nach vorne, andere verlieren an Bedeutung.“

Man habe aber nicht einfach nur ins Digitale ausweichen und Vorträge abfilmen wollen, denn erfahrungsgemäß finde das nur wenig Beachtung. Dass man sich aber nicht zurückziehen kann, bis die Krise irgendwann ausgestanden ist, war den Mitstreitern auch klar. „Wir erleben ein Paradox: Die Zeit scheint eingefroren, aber die gesellschaftlichen Probleme bleiben. Die Bedrohung unserer Demokratie verstärkt sich sogar.“ So arbeitet „Moment mal“ gerade mit Unterstützung von „Achtsegel.org“, einem Frankfurter Büro für demokratische Kommunikation und politische Bildung im Netz, an neuen Formaten. Das sollen kürzere Filme in Form von Interviews mit Fachleuten einerseits, kleinen Dokumentationen zu aktuellen Themen andererseits werden, die, so ho􀁹 man, ab Juni etwa wöchentlich im Netz stehen sollen und dort auch diskutiert werden können. „Wir möchten unseren hohen Qualitätsstandard auch jetzt aufrechterhalten“, sagt Claudia Sievers.

Bei der Durchführung kann man sich auf Förderung von „Demokratie leben“ und der Martin-Niemöller-Stiftung stützen. „Statt mit Veranstaltungen möchten wir mit Videos die Themen definieren, die für die offene Gesellschaft wichtig sind. Wir werden dabei auch ein besonderes Augenmerk auf die Situation in Wiesbaden werfen, wo ja auch diese ,Hygienedemos’ ablaufen.“ Und sie nennt das Motto in Krisenzeiten: „Wir tragen Mundschutz statt Aluhut und streiten weiterhin gegen die
Feinde der offenen Gesellschaft.“

Wiesbadener AfD-Fraktion greift Martin-Niemöller-Stiftung an

23.6.2019 – Die AfD-Rathausfraktion Wiesbaden versucht Druck auf die Martin-Niemöller-Stiftung als Unterstützerin der Veranstaltungen von Momentmal aufzubauen. Verfasst wurde das AfD-Schreiben vom 17. Juni 2019 (s.u.) von Jens Schaefer, dem politischen Referenten der Fraktion.

Die Antwort der Niemöller-Stiftung – ein Lehrstück für Demokratie:

Sehr geehrter Herr Schaefer,

wir möchten Ihre Fragen folgendermaßen beantworten: Die Martin-Niemöller-Stiftung ist parteipolitisch ungebunden, aber nicht neutral. Sie nimmt entschieden Partei für Mitmenschlichkeit. Ihr Leitsatz heißt: Wir brauchen eine zivile, demokratisch und human gestaltete – eine solidarische Welt. Unter dem Motto „Streiten für den Menschen“ unterstützen wir deshalb gerne und überzeugt die  Arbeit der Initiative „Moment mal! Aktion für eine offene Gesellschaft“ ohne Wenn und Aber.

Wie  „Moment mal!“ sehen auch wir die Gefahr, dass rechtsextreme Bewegungen und die explizit antidemokratische Neue Rechte die Strategie verfolgen, öffentliche Räume und den öffentlichen Diskurs zu okkupieren. Gerade deshalb hat sich „Moment mal!“ zusammengefunden: die Mitglieder der Initiative möchten den öffentlichen Diskurs mitgestalten und ihn eben NICHT der Neuen Rechten überlassen. Sie tun dies ehrenamtlich und aus Sorge um die Erosion unserer Demokratie.

Wir sind uns auch mit der Initiative „Moment mal!“ einig in der Überzeugung, dass die AfD zunehmend das gesellschaftliche Klima vergiftet, und zwar nicht in Einzelfällen, sondern bewusst und gezielt als Gesamtpartei. Die zunehmende Radikalisierung und die sprachliche Verrohung der AFD im Laufe der letzten Jahre sind keine Unterstellung, sondern unübersehbare Tatsache und – leider – jeden Tag neu zu erleben.

Wir möchten die widerwärtigen, menschenverachtenden und gewalttätigen Aussagen, die Tag für Tag von AfD-Funktionären in die Öffentlichkeit getragen werden, hier nicht wiederholen. Aber wir verweisen gerne auf den Bericht der ehemaligen hochrangigen JA – Funktionärin und Pressesprecherin Franziska Schreiber, die auf unserer gemeinsamen Veranstaltung mit „Moment mal!“ im März d.J. sehr genau beschrieben hat, wie diese Vergiftung funktioniert: Wie innerhalb der AfD der Druck aufgebaut wird, dass man immer noch schärfer formuliert, immer noch härtere Rhetorik verwendet. Wie die Sprache der Funktionäre immer mehr verroht. Wie sie sich selbst sprachlich radikalisiert hat. Welche Wortakrobatik notwendig war, in welchem „Sprachgefängnis“ sie sich befunden hat. Wie sie als Pressesprecherin am Rande der Fake News operierte, wie sie immer drastischer „Beweise“ liefern musste als Beleg für einen nahenden Bürgerkrieg, den viele der Anhänger herbeireden. Welche moralischen Zugeständnisse sie machen musste, welche Abstumpfung sie selbst dabei erfuhr. Dass es einen regelrechten Wettbewerb gab, wer die polarisierendsten Grafiken und Formulierungen benutzte, wer die lautesten Empörungsschreie erntete. Sie erzählte, wie jedes Mitglied aufgefordert wird, sich einen Account in den sozialen Medien anzulegen und sich dann so viel AfD-Gruppen wie möglich anzuschließen, und dass es keine halbe Stunde dauert, bis ein Artikel oder ein Hassbildchen 30.000mal verbreitet ist. Wie Medien mit Kommentaren überflutet wurden, um eine in der Bevölkerung vorherrschende Meinung vorzutäuschen. – Das ist der Alltag bei der AfD und der mit ihr verbandelten rechtsextremen Netzwerke, und wir können uns Tag für Tag aktuell überzeugen, wie das Gift wirkt.

Sie selbst liefern uns mit Ihrer „Anfrage“ ein Beispiel für rechts-typische Vergiftungstechnik durch bewusste Verdrehung und Verfälschung: der neuen Rechten die öffentlichen Räume und den Diskurs nicht zu überlassen heißt eigentlich unmissverständlich, ihr genau dort entgegenzutreten, nämlich im öffentlichen Raum und Diskurs. Von Wegnehmen ist keine Rede. Aber Sie deuten es um, weil Sie und Ihre Netzwerke versuchen, genau das mit anderen zu machen  – siehe Ihre reißerische Attacke auf das Kulturzentrum Schlachthof.

Nachdem wir nun Ihre Frage ausführlich beantwortet haben, möchten wir unsererseits Ihnen einige Frage stellen:

1. Welchen Zeck und welchen Hintergrund hat Ihr Schreiben?

2. Sind Sie jener Jens Schaefer, der bis Anfang des Jahres stellvertretender Vorsitzender der vom Verfassungsschutz wegen Rechtsextremismusverdacht beobachteten „Jungen Alternative Bremen“ war?

3. Trifft es zu, dass Sie den Post eines Migranten mit den Worten kommentierten: “Mach doch endlich nen Abflug, du hast sowieso keinen Mehrwert für Deutschland“. 

4. Trifft es zu, dass Sie gute Kontakte zur „Identitären Bewegung“ und dem u.a. von Götz Kubitschek gegründeten Verein „Ein Prozent“ haben? Falls ja: Was hält die AfD Wiesbaden von diesen Kontakten?

Freundliche Grüße

Martin-Niemöller-Stiftung e.V.

>> Dieses Antwortschreiben ging in Kopie an alle  Wiesbadener Rathausfraktionen.

Hier das Schreiben aus der AfD-Rathausfraktion:

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 21.05.2019 fand im Wiesbadener „Theater im Pariser Hof“ die Veranstaltung „Rechte Populisten an der Macht – Gefahr für Demokratie und Sozialstaat – Beispiel Österreich“ statt.

Den Flyer zur Veranstaltung finden Sie als Scan im Anhang dieser Mail.

Die Rückseite des Flyers ziert folgender Satz: „Wir überlassen der Neuen Rechten weder die öffentlichen Räume noch den öffentlichen Diskurs!“

Dieser Satz erscheint mindestens fragwürdig, sind doch sowohl öffentliche Räume, als auch der öffentliche Diskurs Wesensmerkmale der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und somit existentiell. Auch eine sogenannte „Neue Rechte“ verfügt über diese Partizipationsrechte, welche anhand dieser Aussage unmissverständlich entzogen werden sollen.

Damit wird eine angebliche Informationsveranstaltung zu einem Boykott-Aufruf gegen Meinungsvielfalt.

Sie sind als Unterstützer bzw. Sponsor dieser Veranstaltung auf Seite 2 aufgeführt, daher bitten wir um eine Beantwortung der folgenden Fragen:

1. Prüfen Sie die Inhalte der durch Sie unterstützten Aktionen, Veranstaltungen etc. vorab? Haben Sie dem Inhalt des Flyers vor Druck und Veröffentlichung zugestimmt?

2. Wie stehen Sie zu der oben zitierten Aussage? Befürworten Sie eine solche Auslegung demokratischer Prinzipien?

3. Repräsentiert der Veranstalter „Moment Mal! Aktion für eine offene Gesellschaft“ in dieser Form auch Ihre Auffassung von demokratischer Meinungs- und Willensbildung?

4. Halten Sie es für vertretbar mit „Moment Mal!“ eine Vereinigung zu unterstützen, die einer demokratisch gewählten Partei pauschal eine „Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas“ unterstellt? Siehe dazu: https://momentmal.org/aktion-fuer-eine-offene-gesellschaft/

Mit freundlichen Grüßen und Dank im Voraus,

Jens Schaefer

Politischer Referent

Alternative für Deutschland (AfD)

Rathausfraktion Wiesbaden

Rathaus – Schlossplatz 6

65183 Wiesbaden

Telefon: 0611 – 31  4552

E-Mail: jens.schaefer@wiesbaden.de

E-Mail: afd@wiesbaden.de

Internet: http://www.wi.afd-fraktion-hessen.org

Facebook: https://www.facebook.com/afd.fraktion.wiesbaden

Kein Zutritt mehr für Robert Lambrou

17.5.2019 – Im Vorfeld ihrer nächsten Veranstaltungen teilt die Initiative „Moment mal! Aktion für eine offene Gesellschaft“ mit:

Als Veranstalter werden wir Herrn Robert Lambrou, Vorsitzender des AfD-Landesverbands Hessen, Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion Hessen und AfD-Stadtverordneter in Wiesbaden, in Zukunft den Zutritt zu unseren Veranstaltungen verwehren.

Die Gründe:

  1. Das Zutrittsverbot gründet sich auf Erfahrungen, die wir im Kontext unserer Veranstaltungen mit Herrn Lambrou machen mussten. So brachte er im September 2018 einen Begleiter mit, der entgegen der Vorgabe der Veranstalter Referenten und Besucher fotografierte, diese Aufnahmen direkt postete und das erst auf nachdrückliche persönliche Aufforderung seitens der Veranstalter unterließ. Im März 2019 erschien Herr Lambrou dann sogar mit einem Team des russischen Staatssenders Russija24 im Eingangsbereich des Kulturzentrums Schlachthof. Das Team filmte penetrant-aggressiv die Besucher/innen, obwohl ihnen das deutlich immer wieder untersagt wurde. Dies geschah direkt im Eingangsbereich zur Haupteinlasszeit und kann nur als Versuch gewertet werden, die Besucher/innen einzuschüchtern und den Einlass zur Veranstaltung zu behindern. [1]
  2. Darüber hinaus ist Robert Lambrou Landes- und Fraktionsvorsitzender einer Partei, unter deren Dach sich auch in Hessen rechtsextreme Aktivisten miteinander vernetzen. „Flügel“ und „Junge Alternative“ werden mittlerweile vom hessischen Verfassungsschutz beobachtet. Bestimmende Teile der AfD versuchen auch in Hessen erklärtermaßen, die kulturelle Hegemonie in Richtung völkisch-nationalistisches Denken zu verschieben. Wir sehen darin eine ernste Gefährdung der Basis der pluralistischen Demokratie. Robert Lambrou ist als wichtigster hessischer Repräsentant der Gesamtpartei auch für deren rechtsextreme Ausläufer verantwortlich. Von ihm gibt es zu dieser Strömung keinerlei Abgrenzung oder gar Versuche diese aus der Partei auszuschließen, weder auf Landes- noch auf kommunaler Ebene. [2]
  3. Wir fördern eine offene Gesprächskultur, in der unterschiedliche Denkansätze, Analysen und Einschätzungen Platz haben und in einer offenen, angstfreien Atmosphäre vorgestellt und diskutiert werden – rassistische, nationalistische, antisemitische oder andere menschenverachtende Äußerungen selbstverständlich ausgenommen. Die Anwesenheit eines hochrangigen und bekannten Funktionärs einer Partei, die mit ihrem Auftreten in den vergangenen Jahren die Grenzen des demokratischen Konsens bewusst und gezielt verletzt, ist den Referent/innen und Besucher/innen nicht zumutbar – insbesondere nicht vor dem Hintergrund seines bisherigen Verhaltens.

Wir haben die Frage des A-priori-Ausschlusses von unseren Veranstaltungen von Herrn Lambrou lange diskutiert. Uns ist bewusst, dass der Umgang mit der AfD schwierig ist. Es bleibt eine Gratwanderung zwischen inhaltlicher Konfrontation und der Notwendigkeit, inakzeptable menschenfeindliche Diskursverschiebungen zu unterbinden. [3]

Was Herrn Robert Lambrou betrifft, haben wir uns aus den oben genannten Gründen entschieden, ihm den Zutritt zu unseren Veranstaltungen zu verwehren. Dies kommunizieren wir offen, um ihm unnötige Wege zu ersparen. Wir werden ihm den Einlass verwehren, solange er Funktionsträger der AfD ist, die sich fest zu ihrem völkisch-nationalistischen Flügel bekennt, der mittlerweile die stärkste Kraft innerhalb der Partei bildet. Dasselbe gilt für alle, auf die sich unsere allgemeine Ausschlussklausel bezieht:

Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen, und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen. Dazu gehören insbesondere Personen, die Kontakte zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ pflegen.

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[1] In dem Blog „Jouwatch“, der in rechtspopulistischen, rassistischen und verschwörungsgläubigen Kreisen verbreitetet ist, der von der AfD durch Werbeanzeigen finanziell unterstützt wird und der zum AfD-Kongress „Freie Medien“ in den Bundestag eingeladen wurde, war später über den Vorfall zu lesen: „Womit die Veranstalter nicht rechneten: Lambrou hatte sich Hilfe aus Russland geholt, um den vorhersehbaren skandalösen Vorfall zu dokumentieren. Den staatlichen russischen Fernsehsender Russia 24. Auf diese Weise können jetzt Millionen von Russen sehen, wie im verlogenen selbsternannten Musterland der Demokratie mit Oppositionspolitikern umgegangen wird. Es fehlten nur noch die sonst auftretenden Antifa-Schlägertruppen. …. Dank dem Filmteam bekommt nun endlich auch das Ausland mit, dass sich Deutschland im Umgang mit Oppositionspolitikern längst auf eine Diktatur zubewegt, ja bereits ein totalitäres Regime installiert hat, mit allem was dazugehört, angefangen von gleichgeschalteten regierungsfreundlichen Medien bis hin zu staatlich geduldeten Terrorbanden … Die oft von Jouwatch vorgebrachte Forderung, sich Unterstützung im Ausland zu holen, um diesen neostalinistischen Spuk zu beenden, wird endlich umgesetzt. …. Lambrou war im wahrsten Sinne mit dem russischen Bären in der Höhle des roten hessischen Löwen.“


Die Pseudo-Nachrichtenseite „Journalistenwatch“ wird von der AfD mit Werbeanzeigen unterstützt, sie steht damit neben einer Werbeanzeige für das Modelabel der sog. “Identitären Bewegung“ (IB) „Phalanx Europa“. Die Werbeanzeige zeigt den hochrangigen IB-Kader Alexander („Malenki“) Kleine. (Screenshot: https://www.journalistenwatch.com/2019/04/01/afd-filmteam-priester/, zuletzt abgerufen am 16.05.2019)

[2] In der hessischen Landtagsfraktion ist mit Andreas Lichert ein Unterstützer der sog. „Identitären Bewegung“ vertreten, dem neuen Vorstand der AfD-Jugendorganisation gehört u.a. der ehemalige Regionalleiter der sog. „Identitären Bewegung“ an. Mitglieder der Landtagsfraktion und die Jugendorganisation sind dem völkisch-nationalistischen „Flügel“ der AfD zuzuordnen. Zum Vorstand des Wiesbadener Kreisverbands gehört z.B. auch Sascha Sindel, ein Vertreter der beobachteten Jungen Alternative Hessen, und Teilnehmer an rassistischen Demonstrationen in Kandel. Und ganz aktuell wurde bekannt, dass der Vize-Landesvorsitzende der Jungen Alternative Bremen (genauso unter VS-Beobachtung), der auch Sympathisant der Identitären Bewegung sein soll, in der Wiesbadener Geschäftsstelle eingestellt wurde.

[3] Wir gehen davon aus, dass führende Funktionäre der AfD stets versuchen, das agitatorische Spiel der Diskursverschiebung hin zu antidemokratischen und menschenfeindlichen Positionen zu betreiben, oder – wo es politisch opportun scheint -, die Macht des „Flügels“ in der AfD zu verschleiern. Es ist bekannt, dass die AfD stetig versucht, sich als Opfer zu inszenieren. Sie versucht, die berechtigte Ausgrenzung von Vertretern menschen- und demokratiefeindlicher Positionen durch wehrhafte DemokratInnen als Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit zu denunzieren.