Über die Gefahr von Rechtsaußen in Thüringen
Stephan Kramer (Präsident des Amtes für Verfassungsschutz Thüringen) im Gespräch mit dem Journalisten Martín Steinhagen. Veranstaltung vom 29. Mai 2024, Schlachthof Wiesbaden
Im Thüringer Landtag stellt die rechtsextreme AfD die drittgrößte Fraktion. Geführt wird sie von den
Rechtsextremisten Björn Höcke und Stefan Möller. Gleichzeitig sind in Thüringen eine starke gewaltorientierte Neonaziszene und eine wachsende Zahl von „Reichsbürgern“ zu beobachten sowie häufige Mobilisierungen verschwörungsideologischer und demokratiefeindlicher rechtsoffener Mischszenen.
Wir sprechen mit Stephan Kramer, Präsident des Amtes für Verfassungsschutz in Thüringen, der seine Sicht zum „Lagebild Rechtsextremismus“ schildert. Im Gespräch geht es um die Demokratiegefährdung durch die extreme Rechte, die Bedingungen für ihren Erfolg sowie Notwendigkeit und Möglichkeit demokratischer Gegenwehr:
» Wie real ist die Gefahr, die von der extremen Rechten in Thüringen ausgeht? Was bedeutet eine
Machtübernahme von Rechtsextremisten für das Bundesland und für Deutschland?
» Welche Bedeutung haben die rechtsextreme AfD Thüringen und ihr Vorsitzender Björn Höcke für
die Bundespartei? Woran macht sich die Einstufung der AfD Thüringen als „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ fest?
» Welche Ursachen liegen der Stärke der extremen Rechten in Thüringen zugrunde? Warum erhält die AfD in den ostdeutschen Bundesländern so große Zustimmung?
» Welche Rolle spielt die Strategie einer radikalen „Mosaik-Rechten“? Haben sich im Zusammenspiel
von Neonazis, Reichsbürgern, rechtsoffenen verschwörungsideologischen Mobilisierungen und der
AfD neue demokratiefeindliche Allianzen gebildet?
» Welche Rolle spielt der Verfassungsschutz für den Schutz der Demokratie? Der Verfassungsschutz Thüringen hat bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus lange mehr als versagt, die Szene und ihr Terrorpotential unterschätzt und ihr über V-Männer relevante finanzielle Ressourcen verschafft. Was hat sich beim VS Thüringen verändert? Welche ambivalente Rolle spielen Verfassungsschutzämter als „Frühwarnsystem der Demokratie“?
» How to defend democracy? Warum muss die Gefahr durch die rechtsextremistische AfD immer wieder aufgezeigt werden? Welche Bedeutung hat die Abgrenzung demokratischer Parteien vom parlamentarischen Rechtsextremismus? Welche Bedeutung kommt der demokratischen Zivilgesellschaft zu?
Stephan Kramer ist seit 2015 Präsident des Amtes für Verfassungsschutz in Thüringen. Zuvor war er zehn Jahre lang Generalsekretär des Zentralrats der Juden. Er ist Mitglied des Stiftungsrates der Amadeu Antonio Stiftung. Seine Amtsvorgänger spielten unrühmliche Rollen: Der Thüringer Verfassungsschutz hatte in den 1990er Jahren zahlreiche V-Leute in die Szene eingeführt und sie großzügig finanziell und logistisch unterstützt. Die Szene wuchs und radikalisierte sich, aus ihr ging u.a. der NSU hervor.
Martín Steinhagen arbeitet als freier Journalist in Frankfurt/Main, u.a. für DIE ZEIT und ZEIT ONLINE. Er recherchiert überwiegend zur extremen und militanten Rechten, Polizei und Justiz und hat jahrelang den hessischen NSU-Untersuchungsausschuss begleitet. 2021 erschien sein Buch „Rechter Terror: Der Mord an Walter Lübcke und die Strategie der Gewalt“.